Von der Landwirtschaft zum fertigen Produkt: Textilien aus regionalen Naturfasern

Wo kommen die Rohstoffe für unsere Bekleidung her? Das Fasern – egal ob Baumwolle, Leinen oder andere Pflanzenfasern – auf einem Acker angebaut und geerntet und dann aufwändig weiterverarbeitet werden müssen, ist vielen nicht bewusst. Wie der Anbau erfolgt – ob hier Boden auf- oder abgebaut wird, welche ökologischen und sozialen Folgen der Anbau hat und auch welche Wege die Fasern nach der Ernte zurücklegen, bis sie einmal als fertiges Kleidungsstück bei Kund:innen ankommen, bleibt weitgehend im Dunkeln. Dasselbe gilt für Schafwolle und andere tierische Fasern: Wo und wie die Tiere gehalten werden, bleibt in den meisten Fällen im Verborgenen, ebenso die Transportwege.

Fasern mit regenerativen Methoden produzieren

Welche Rolle kann die regenerative Landwirtschaft in der Produktion von Textilien übernehmen? Ist es möglich, die Fasern, die wir für Bekleidung und andere Alltagsprodukte benötigen, mit regenerativen Anbaumethoden zu produzieren und regionale Wertschöpfungsketten wiederherstellen? Es gibt viele vielversprechende Versuche und Projekte in diesem Bereich. Zu finden sind sie auf der Website der Organisation Fibershed DACH. Diese Organisation setzt sich dafür ein: “die Herstellung von Textilien und Alltagsprodukten zurück in unsere Region zu holen und dadurch die einzelnen Schritte der Verarbeitung nicht nur für alle sichtbar und nachvollziehbar zu machen, sondern auch die Menschen, die daran beteiligt sind, wieder direkt zueinander in Beziehung zu bringen.” 

Die vielfältigen Prozesse in der Textilproduktion sichtbar und direkt erfahrbar zu machen, ist auch für mich ein großes Anliegen. Hier trifft sich die regenerative Landnutzung mit meiner Begeisterung für die Arbeit mit Wolle und Stoff, für das Spinnen, Färben, Weben, Stricken und Nähen. Ich liebe es, mich auf den kreativen, handwerklichen Prozess einzulassen, der am Ende ein Kleidungsstück hervorbringt, dass mich mit der Landschaft verbindet, in der die Fasern entstanden sind.  

Ein Pilotprojekt: Wollstoff aus Fuchsschaf-Wolle

Und dann ist da auch die Lust am Experimentieren, die mit vor ein paar Jahren dazu gebracht hat, 20 Kilo Fuchsschaf-Vlies von einem Schäfer aus der Nachbarschaft zu kaufen und zur Verarbeitung in eine Spinnerei zu bringen. Die Wollspinnerei Dickel ist einer der wenigen Betriebe in Deutschland, die kleine Mengen verarbeiten und in der aus meiner Rohwolle ein schönes, strohfarbenes Garn mit 200 Meter Lauflänge (100 g) wurde. Die Wolle ist recht robust, manche würden sagen kratzig – daher für gestrickte Pullover und ähnliches nicht gut geeignet. Aber als Oberstoff für eine Jacke konnte ich mir die Wolle gut vorstellen – allerdings waren meine Webkenntnisse zu dem Zeitpunkt eher bescheiden. Aber zum Glück gibt es die Handwebmeisterin Antje Vajen, ohne deren Hilfe ich wohl nie gelernt hätte, wie ein Webstuhl funktioniert und wie ich darauf einen für Bekleidung geeigneten Stoff weben kann. Nach einem Färbe-Wochenende auf den Hilshof hatte ich eine ausreichende Menge mit Krappwurzeln gefärbte, ziegelrote Wolle und nach vielen Stunden am Webstuhl drei Meter Fischgrat-Stoff. Im Laufe eines langen Winters wurde aus dem Stoff eine wunderbare, robuste, wind- und wasserabweisende Jacke. 

Jacke aus handgewebtem Wollstoff im Fischgrat-Muster

Für alle, die sich für die Details interessieren: Ich habe den Schnitt “Workman’s Stable Jacket” von Nehelenia Patterns verwendet, der mit Krapp gefärbte Wollstoff für den Oberkragen und den Besatz ist vom Färbehof. Das Futter ist Baumwolle, ein alter Bettbezug aus meinem Fundus. Genäht habe ich mit der Nähmaschine und per Hand. Die Wolle stammt von der Fuchsschaf-Herde von Lucius Kloker, die am Ammersee weidet.  

 Sich auf so einen Prozess einzulassen, ist sicher nicht für jeden möglich – und es ist auch nicht nötig, denn das Wissen aus diesem – und anderen – Pilotprojekten ist ja da und kann genutzt werden. Ich gebe meine Erfahrung gerne weiter, in Kursen und in meiner Beratung rund um regenerative Landwirtschaft, Textilverarbeitung, Marketing und Projektmanagement. 

Ein erfolgreiches Projekt möchte ich gerne vorstellen: Paulas Wolle. Wanderschäfer Sven de Vries hatte 2020 ein Crowdfunding für seine erste Wollproduktion gestartet. Seine Schafe erhalten durch die Beweidung 135 Hektar artenreiche Wacholderheide im Südosten der Schwäbischen Alb. Ich habe damals ein Kilo naturfarbene Schafwolle bestellt – und war von der Qualität der Wolle begeistert: weich genug für gestrickte Pullover und Jacken, robust genug, um viele Jahre Freude zu machen. Einen Teil der Wolle habe ich mit Indigo gefärbt und mir dann eine blau-weiße Jacke daraus gestrickt. Diese Jacke ist ein absolutes Lieblingsstück, dass ich seitdem viel und gerne trage.

Handgestrickte Damenjacke aus regionaler Wolle

Auch hier die Details: Paulas Wolle (210 m/100 g) naturfarben und blau (von mir mit Indigo gefärbt). Design: Kim Hargreaves für Rowan („Denim People“, 2024), handgestrickt von mir.  

Sven de Vries setzt inzwischen die regionalen Wollproduktion fort und bietet eine pflanzengefärbte Kollektion in fantastischen Farben an. Besser geht es kaum: schöne, weiche, regional produzierte Strickwolle von Schafen, die das ganze Jahr artgerecht in Hütehaltung leben und durch ihre Einwirkung ein artenreiches Biotop erhalten.  

Jede und jeder, der jetzt Lust bekommen hat, sich mit der regionalen Produktion von Textilien zu beschäftigen und vielleicht sogar selbst ein Projekt zu starten: ich berate gerne zu diesem Themenbereich. Ich gebe auch Kurse zu textilen Techniken (Stricken und Nähen) oder organisiere Referentinnen für andere Techniken wie Färben mit Pflanzenfarben, Spinnen oder Weben. In den Kursen wird nicht nur die textile Technik vermittelt, es geht auch immer um die Herkunft der Fasern und die Verbindung mit der Landschaft, die sie hervorgebracht haben. Und natürlich um die Freude am kreativen Ausdruck und daran, ein Kleidungsstück oder ein anderes Produkt mit den eigenen Händen zu gestalten.  

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